Karfreitag,
21.4.
Ostersamstag,
22.4.
Ostersonntag,
23.4.
Ostermontag,
24.4.
zurück zur Hauptseite
Eine weitere
knappe Stunde später sind wir in Marianske Lazne. Marienbad. Ein erster
Promenadenbummel. Unser Quartier, die Pension Strelnice, liegt malerisch
im Wald. Ein Tennisplatz gehört dazu. Viola hatte nach längerem
Telefonieren diese Übernachtungsmöglichkeit vereinbart. Für
31 DM pro Person und Nacht im Doppelzimmer mit Frühstück. Auf
dem Balkon lese ich Mark Twains Kur-Erinnerungen. ("Was kostet das Wasser?"
- "Nach Beliebe!"; "Was kostet das Wasser?" - "Nach Beliebe!"; "Was kostet
das Wasser?" - "Nach Beliebe!"; "Was kostet das Wasser?" - "Nach Beliebe!";
"Was kostet das Wasser?" - "Nach Beliebe!"; "Was kostet das Wasser?" -
"Nach Beliebe!"; "Was kostet das Wasser?" - "Nach Beliebe!")
Für
den kulturellen Abend gibt es zwei Möglichkeiten. Sinfoniekonzert
mit Werken von Antonin Dvorak oder komödiantischer Theaterabend mit
Ephraim Kishons "Romeo & Julia". Ich bin für Dvorak. Also gehen
wir ins Theater. Das ist nach Gogol benannt, der auch in Marienbad gekurt
hat. Die erste literarische Spur.
Am
nächsten Morgen wird gekurt. Mit "k". Vier Sorten Wasser zur Auswahl.
Die "Kreuzquelle" schmeckt am salzigsten und wirkt abführend, was
wir erst später erfahren. Violas Favorit ist die "Karoline". Mir sagt
der "Rudolf"-Geschmack am meisten zu.
Um
elf Uhr beginnen die musikalischen Wasserspiele. Die Fontänen tanzen
zur Melodie von Bedrich Smetanas "Moldau". Bei malerischstem Sonnenschein.
Wunderschön.
Dann
gibt es eine Fotosession vor dem Goethe-Denkmal. Nach alter Tradition verweigern
sich die Literaten einem Gruppenfoto mit dem Genie. Viola posiert einzeln
auf seinem Schoß. Ich als Goethes Freund, hinter ihm stehend, den
Arm wohlwollend auf seiner Schulter.
Der
Turm ist niedrig. Der Blick reicht kaum über die Baumwipfel hinweg.
Wir wollen weiterspazieren und einen Bogen nach links schlagen. Dort ist
in der Karte ein Restaurant verzeichnet. Eine Viertelstunde später
stehen wir ratlos vor den Wegweisern. Das Restaurant liegt in der Richtung,
aus der wir kommen. Zum Panorama geht es nach rechts. Nach dem Motto "Die
Karte ist richtig, die Gegend ist falsch" beharre ich auf meiner Richtung.
Und muss mich belehren lassen. Es gab zwei rote Wege. Wir haben den falschen
genommen. Das verfallene Hotel war das angebliche Restaurant. Passanten
zeigen uns den richtigen Weg. Sylvia & Viola sagen mir, dass sie das
auch gewusst hätten.
Eine
Viertelstunde von der Jugendherberge entfernt erreichen wir den wirklichen
Panorama-Blick. Der Turm scheint Teil einer alten Befestigungsanlage zu
sein. Der Ausblick ist wunderschön. Hoch oben lesen Viola und Sylvia
aus dem Reiseführer vor.
Auf
dem Rückweg kommen wir wieder am anderen Goethe-Denkmal vorbei. Zu
dunkel bereits zum Fotografieren. Der berühmte Mann diesmal stehend
und auf ein Blatt Papier schauend. Eine selbstbewusste Muse neben ihm.
Wir halten sie für Ulrike von Levetzow. Neunzehn Jahre jung war sie,
als sie den Heiratsantrag des greisen Goethe ablehnte. Nie wieder kehrte
dieser deshalb nach Marienbad zurück.
Am Sonntag geht es gleich nach dem
reichhaltigen Frühstück wieder mit unseren Trinkbehältern
auf die Kurpromenade. Die Sonne scheint noch wärmer als gestern. Auf
der Bühne der prachtvollen gusseisernen Kolonnade steht ein Mädchenchor.
Der Gesang hallt melodisch über den Platz.
Wir warten auf die Brunnen-Vorführung
um 11 Uhr. Umsonst. Kaum eine Welle regt sich. Das Wasser ruht.
Wir besichtigen eine Verkaufs-Galerie.
Bilder von einheimischen Künstlern. Und wunderschöne Glasplastiken
mit farbigen eingeschlossenen Ornamenten.
Dann bummeln wir zur ehemaligen
anglikanischen Kirche und schauen uns die Foto-Ausstellung an, die dort
gerade zu sehen ist.
Nach dem Mittagessen verabschiedet
sich unser Pärchen. Die beiden wollen auf der Wiese ein Mittagsschläfchen
zelebrieren. Silvia & Sylvia gehen mit mir in die russisch-orthodoxe
Kirche. Für zehn Kronen Eintritt gibt es einen farbenfrohen Keramikaltar
zu sehen. Mit Gold- und Kobalt-Überzug. (Wie war das, als Jesus die
Wechsler aus dem Tempel jagte?)
Dann wartet noch das Chopin-Museum.
Wir werden den Literaten untreu und wenden uns einem Musiker zu, zu dessen
Ehren in Marienbad alljährlich ein Klavier-Musik-Festival veranstaltet
wird. Die große Sylvia betritt zuerst die Museumsräume. Ich
folge mit der kleinen Silvia in meinem Schatten. Die Kassiererin fragt:
"Ist die Kleine schon 14?" Wir brechen in schallendes Lachen aus. Die kleine
Silvia ist die Älteste von uns allen! Der Kassiererin ist das schrecklich
peinlich. Sie entschuldigt sich vielmals und erzählt uns die kleinen
Geheimnisse über den großen Künstler.
Endlich bekommen wir auch eine
Erklärung für den launenhaften Springbrunnen. Die Fontänen
tanzen erst, wenn Anfang Mai offiziell die Kursaison beginnt. Bis dahin
ruht der Brunnen. Was wir am Karfreitag erlebt haben, war höchstwahrscheinlich
nur eine Probe gewesen, für uns ein wunderbarer Glücksfall.
Nach dem ausgedehnten Stadtbummel
empfängt uns die Pension mit schattiger Kühle. Ich lese. Weder
Goethe, noch Gogol. Kein Mark Twain und kein Turgenjew. Sondern pure Science-Fiction,
die noch dazu nicht einmal in Marianske Lazne spielt.
Eine Stunde nach der vereinbarten
Zeit ist von den beiden Leipzigern noch keine Spur zu sehen. Ich lege mich
also noch ein bisschen aufs Ohr. Als ich nach einer weiteren Stunde erwache,
bin ich noch immer mit Silvia & Sylvia allein. Wir beschließen,
das Lagerfeuer ohne unsere Vermissten anzuwerfen. Es glimmt nur kümmerlich
vor sich hin. Das Holz ist zu nass. Unser Pärchen kommt erst weit
nach Anbruch der Dunkelheit aus einer Weinstube zurück. Der meist
so intellektuelle Ronald schafft es sofort, mit ein paar trockenen Ästen
dem Feuer echtes Leben einzuhauchen.
Um Mitternacht sitze ich nur noch
mit der kleinen Silvia allein vor dem Feuer. Als die letzte Flamme erlischt,
stellen wir fest, dass Ronalds Platz in meinem Zimmer leer ist. Ich kriege
also heute Nacht sogar noch eine weibliche Schlafgefährtin.
Die
deutschsprachige Führung hat einen stolzen Preis. Neunzig Kronen.
Das sind fünf Deutsche Mark. Oder 2,56 Euro. Ronald zahlt, ohne mit
der Wimper zu zucken. Und wir folgen.